Mike Judith spricht mit Julia Kistner vom Finanz Podcast GELDMeisterin über Chancen im Technologiesektor, die DNB Fund Technology Strategie und warum es immer gut ist, in Technologiewerte zu investieren. In 2023 sollte man in jedem Fall selektiver vorgehen.
Julia Kistner: Technologie und Skandinavien passt doch generell gut zusammen, weil es dort viel Ventured Capital und auch viele Start-ups in diesem Bereich gibt, oder?
Mike Judith: Ich glaube schon, dass Skandinavien generell für Innovation steht. Es sind kleinere Volkswirtschaften. Jede Wirtschaft hat ihre Besonderheiten. In Finnland ist es vielleicht die Holzindustrie, die Technologie, in Dänemark die Pharmaindustrie. In Schweden ist es die Industrie, in Norwegen die Energiewirtschaft, um nur einige Beispiele zu nennen, aggregiert, sehr gut diversifiziert, aber für sich betrachtet kleine Volkswirtschaften mit sehr vielen Marktführern, die sich alle auf die Absatzmärkte außerhalb Skandinaviens ausrichten müssen. Man sagt, man hat die Weltmärkte im Kleinen und aufgrund der Kleinheit der eigenen Volkswirtschaften hat man die Notwendigkeit, die eigenen Produkte, die eigenen Dienstleistungen ständig weiterzuentwickeln, damit sie auf dem Weltmarkt bestehen können. Und das gelingt den Skandinaviern seit vielen Jahrzehnten sehr gut. Und das gilt, würde ich sagen, für den Technologiebereich genauso wie für viele andere Bereiche. In Norwegen funktioniert die Steuererklärung seit vielen Jahren per SMS, per Textnachricht. Davon kann man hier nur träumen und auch die Energiekonzepte sind sehr stark auf erneuerbare Energien ausgerichtet. Über 80 Prozent des norwegischen Strombedarfs werden durch Erneuerbare Energien gedeckt. Skandinavien und Innovation passen also sehr gut zusammen.
Julia Kistner: Sie haben gesagt, Sie haben im letzten Jahr, dem schlechten Technologiejahr, nicht so viel Verlust gemacht. Was haben Sie anders gemacht?
Mike Judith: Als DNB haben wir wirklich die beachtliche Performance von jetzt knapp 2 % über ein Jahr geliefert. Ich glaube, das ist eine außerordentlich gute Nachricht für unsere Anlegerinnen und Anleger, wenn man bedenkt, dass viele der großen Technologieunternehmen in die Knie gegangen sind, dass eine Meta-Aktie fast 70 % verloren hat. Wir hatten und haben, um es vielleicht in einem Satz zu sagen, einen sehr differenzierten Ansatz. Insofern, als wir auf der einen Seite sehr konservativ und bewertungsgetrieben investieren. Das heißt, wir haben die Finger von diesen Hype-Flyern gelassen, deren Bewertungsniveaus auf Basis der Fundamentaldaten für uns überhaupt nicht mehr nachvollziehbar waren. Wir haben hier keine Kundengelder allokiert, also aktiv gegen den Markt, gegen die Benchmark gesetzt, was im Nachhinein betrachtet eine sehr gute Entscheidung war. Natürlich wussten auch wir nicht, wann die große Marktkorrektur kommen würde und waren dann erst einmal eineinhalb bis zwei Jahre hinter dem Markt. Aber gewollt, weil wir eben die Kurstreiber oder deren Bewertungsniveaus nicht mehr nachvollziehen, nicht mehr begründen konnten.
Das zweite Unterscheidungsmerkmal ist, dass wir sehr breit in Technologie investieren. Wir investieren nicht nur in IT, sondern auch in Medien und Telekommunikation, was früher als TMT-Industrie bezeichnet wurde. Innerhalb dieses breiten Technologiemarktes haben wir hervorragende Möglichkeiten gefunden.
Ein Aktienbeispiel, ohne dass ich hier eine Empfehlung aussprechen möchte, ist, dass wir unsere Gelder in Telekommunikationswerten geparkt haben, die teilweise mit einem einstelligen KGV zu haben waren, wo andere Werte im hohen zweistelligen KGV-Bereich waren und überhaupt kein KGV hatten, weil es keine Gewinne gab. Und die Deutsche Telekom im Tandem mit T-Mobile hat sich in dieser schwierigen Zeit sehr gut geschlagen. T-Mobile hat ein hervorragendes Management, ein sehr gutes Spektrum, hat von der Fusion mit Sprint profitiert, hat Verizon und AT&T hinter sich gelassen, ist so stark gestiegen, dass die Marktkapitalisierung von T-Mobile vier, fünf Sechstel der Marktkapitalisierung der Deutschen Telekom ausmacht, obwohl die Deutsche Telekom nur knapp die Hälfte der Aktien hält. Das heißt, das Telekommunikationsgeschäft der Deutschen Telekom, das europäische Geschäft, gab es fast zum Nulltarif oder zumindest zu einem sehr, sehr hohen Discount. Das sind zwei Werte gewesen, die uns, um sie exemplarisch zu nennen, sehr gut durch die schwierige Zeit gebracht haben und allein die Tatsache, dass wir risikobewusst investiert haben, hat uns natürlich auch gerettet und uns nicht in diesen Abwärtssog hineinziehen lassen. Dieses Jahr sehen wir oder haben wir in den letzten Monaten sehr gute Einstiegsmöglichkeiten bei den Big Techs gesehen.
Julia Kistner: Kaufen Sie generell nur Unternehmen, die schon in der Ertragsphase sind oder geht das in dem Segment überhaupt?
Mike Judith: Wir versuchen hier sehr opportunistisch zu investieren. Und wenn man unser Portfolio heute analysieren würde, dann hätten wir wahrscheinlich einen Wachstumscharakter. Entscheidend ist für uns nicht so sehr, ob wir uns strikt im Value- oder im Growth-Segment verorten, sondern dass wir einfach flexibel die Gelegenheiten nutzen können, die sich bieten. Und manchmal sind das Substanzwerte, manchmal sind das Werte, die vielleicht den besten Teil ihrer Zukunft noch vor sich haben. Im Moment haben wir, und das würde eher für den Wachstumscharakter sprechen, sehr viele Spieletitel im Portfolio. Wir wissen, wie wahrscheinlich alle anderen auch, nicht, wer das Rennen um das berühmte Metaverse machen wird. Es gibt auch Wettbewerber, die hier schon wieder Fonds auflegen, um dieses Modethema Metaversum zu spielen. Wir versuchen das, wie so oft, in der zweiten, nicht so leicht erkennbaren oder vielleicht sogar dritten Reihe zu bedienen, dieses Thema über das Exposure im Gaming-Sektor. Denn hier sehen wir, dass das Metaversum, das nichts anderes ist als die Verbindung der digitalen mit der physischen Welt, bereits stattfindet.
2019 hat es ein DJ Marshmallow, den wir beide vielleicht nicht kennen, geschafft, über 11 Millionen Konzertbesucher zu versammeln. Und da hatten wir die Verbindung zwischen der physischen und der digitalen Welt. Es waren mehr als 11 Millionen Avatare, die über die Fortnite-Plattform zu diesem Konzert gekommen sind. Aber das ist nur ein vorsichtiger Hinweis darauf, wohin die Reise geht, denn wir haben 5 Milliarden Mobiltelefone im Umlauf. 3 Milliarden Gamer, die im Prinzip jeden Tag kommunizieren können. Wir haben es im Bereich Fortnite mit einem Titel zu tun, der allein über 100 Millionen monatlich aktive Nutzer hat. Es gibt andere Spiele, die 600 Millionen monatlich aktive Nutzer haben. Diese Plattformeffekte sind die spannenden, wo diese Verbindung zwischen digitaler und physischer Welt bereits stattfindet, wo diese Idee des Metaversums bereits monetarisiert werden kann und so haben wir einen kleinen Gamingkorb. Da ist unter anderem Activision Blizzard drin, bevor Microsoft, wir glauben nicht ganz zufällig, hier ein Angebot von fast 70 Milliarden Dollar gemacht hat.
Julia Kistner: Wie grenzt man diesen Gaming-Bereich ab? Weil Amazon etc. sind ja auch in diesem Bereich tätig. Suchen Sie da Pure Player oder wo gehen Sie in diese Meta-Welt rein?
Mike Judith: Für uns ist wichtig, dass der wesentliche Werttreiber ein technologischer Werttreiber ist. Und bei den Spieletiteln haben wir diesen schönen Effekt, dass die Nutzer über die Plattformen zusammenkommen und das Metaversum schon erleben können.
Julia Kistner: Wie passt der Streaming-Sektor in Ihren Technologiefonds?
Mike Judith: Der Streaming-Sektor ist natürlich hochinteressant. Ob Streamingdienste jetzt investierbar sind, ist natürlich eine ganz andere Frage, denn die höchsten Gehälter werden vielleicht nicht mehr im Silicon Valley gezahlt, sondern in Hollywood, weil die Streamingdienste ihre Inhalte produzieren müssen, was sehr teuer ist, und man bei hohen Investitionen keine Garantie auf den nächsten Blockbuster hat. Das muss wieder verdient werden. Es gibt Steigerungen bei den Abonnements. Das heißt, ob diese Streamingdienste jetzt Investitionskandidaten sind, das entscheiden wir dann im Einzelfall. Und es ist ganz wichtig, dass wir weder beim Metaverse, noch bei den Streamingdiensten, noch bei der künstlichen Intelligenz, diesen ganzen Hype-Themen, mit denen wir es zu tun haben, dass wir uns von diesen Hype-Themen in die Irre führen lassen. Und von daher ist der Blick hinter die Bilanz hilfreich, um das Geschäftsmodell besser zu verstehen.
Julia Kistner: Das ist jetzt ein guter Punkt. Auch interessant für Investoren, also wir gehen jetzt zu Chat GPT. Also für die ist das noch kein Grund, dass man jetzt Microsoft kaufen würde, die sind ja auch an dem Unternehmen beteiligt, sondern die schauen sich erst mal an, wie sich das in der Bilanz niederschlägt? Oder ist es möglich, mit einem zukunftsorientierten Technologiefonds, der ja praktisch erst in der Zukunft dann wirklich sein Geschäft macht?
Mike Judith: Beides ist richtig. Wobei ich sagen muss, dass wir es bei Alphabet, Google und Microsoft mit Kandidaten zu tun haben, die seit vielen, vielen Jahren immer wieder in unserem Portfolio sind, auch langfristig. Was wir als aktiver Investor machen, und das muss auch die Erwartung an uns sein, dass wir diese Positionen aktiv managen, dass wir, ohne dass wir neue Erkenntnisse haben, bei steigenden Kursen auch mal Gewinne mitnehmen und bei für uns unerklärlichen Kursrückgängen diese Opportunitäten nur zum Einstieg nutzen. Microsoft und Alphabet sind sozusagen langjährige Kandidaten und Microsoft, Alphabet sind schon deshalb interessant, weil sie natürlich beide im Metaversum eine Rolle spielen werden. Das sind unterschiedliche Geschäftsmodelle. Bei Microsoft kommt noch das Cloud-Geschäft hinzu. Es hat eine andere Unternehmensstruktur, was die Nutzer angeht, hat natürlich mit Microsoft Office einen Zugang zu den Unternehmen, wo man KI, Stichwort Chat GPT, hervorragend einsetzen könnte. Das heißt, das KI-Upgrade für Powerpoint und Microsoft Word und Excel kommt dann quasi frei Haus sicherlich gegen eine entsprechende Gebühr. Vor diesem Hintergrund halten wir Microsoft nicht nur, aber auch aus diesem Grund für einen sehr guten Investmentkandidaten. Diese KI-Fantasie ist aber nur ein Detail in der Bewertung. Viel wichtiger ist für uns: Woher kommen die Umsätze? Aus dem Kerngeschäft? Was ist der Kern des Geschäfts? Und wie läuft das Cloud-Geschäft für Microsoft? Und dass Chat GPT, beziehungsweise AI, jetzt als Option dazu kommt, ist natürlich sicherlich ein Vorteil gegenüber Alphabet. Die müssen mit ihrem Bard, obwohl sie auch seit Jahren genau an diesem Thema forschen, natürlich aus einer defensiven Verteidigungsposition heraus den Weg in den Markt finden. Also für uns ist diese fundamentale Analyse wirklich grundlegend. Und KI als Buzzword deutet die zukünftigen Optionen an, aber ob sich Bing mit der Verstärkung durch Chat GPT durchsetzen wird, ist natürlich eine Frage, die wir auch nicht beantworten können.
Julia Kistner: Ihr Titel hier auf dem Fonds Professionell Kongress war „Ohne Technik keine Zukunft“. Könnten Sie vielleicht kurz darauf eingehen? Und welche Zukunft hat die Technik?
Mike Judith: Wir haben jetzt einen unglaublichen Siegeszug der Technologietitel erlebt. Die Technologietitel haben es geschafft, den S&P 500 in den 19er und 2020er Jahren aus dem negativen in den positiven Bereich zu bringen. Das muss man sich einmal vorstellen. Also im S&P 500 waren es zeitweise fünf Titel, die den Index aus dem negativen in den positiven Bereich gehoben haben. Und das hat zu verschiedenen Problemen geführt. Zum einen ist der Technologieanteil in den globalen Portfolios oder zumindest im MSCI World deutlich gestiegen, auf über ein Drittel, und das hat für alle, die passiv investiert sind oder indexnah investiert sind, zu erheblichen Klumpenrisiken geführt. Man hatte nicht nur ein Technologieübergewicht, sondern man hatte wahrscheinlich die gleichen Namen mit einer hohen Gewichtung im Portfolio oder mehrfach durch US-Exposure. Und die Frage ist natürlich: Wie lange kann dieser sich selbst verstärkende Siegeslauf noch weitergehen? Es gab gute fundamentale Gründe, warum die Technologiewerte so stark waren, denn sie haben uns ihre Widerstandsfähigkeit in den Lockup-Jahren gezeigt. Sie haben die Wirtschaft am Leben und über Wasser gehalten. Und die Frage ist natürlich, waren die Bewertungen gerechtfertigt? Und darüber haben wir am Anfang gesprochen, dass wir der Meinung waren, dass die Aktienbewertungen irgendwann den Boden der Realität verlassen haben und dann haben wir für uns entschieden, diese Positionen abzubauen. Die Performance lief dann eine Zeit lang gegen uns, und wir glauben, dass wir jetzt, da die Bewertungen wieder sehr stark zurückgekommen sind, fantastische Einstiegsmöglichkeiten gesehen haben. Ich muss also sagen, dass wir uns heute mit Technologieinvestitionen wohler fühlen als noch vor zwei Jahren. Wir sehen also ein besseres Investitionsumfeld für Technologieaktien, als dass damals der Fall war. Und wir glauben natürlich fest daran, dass das, was wir in der Krise gesehen haben, auch für die Zukunft gilt, nämlich dass Technologie einerseits Probleme löst und andererseits Produktivitätsgewinne ermöglicht. Wir sehen an vielen Stellen, dass die Digitalisierung noch nicht angekommen ist. Im Lockdown ist sehr viel passiert, es ist sehr viel Hardware bestellt worden, aber die Prozesse können natürlich noch optimiert werden. Und dieses Potenzial, das allein Chat GPT oder andere Open-Air- oder KI-Anwendungen bieten, halten wir für immens und das entsprechende Monetarisierungspotenzial auch.
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